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http://www.forbes.cz/brasnarstvi-tlusty-internetova-tovarna-kde-se-dela-rukama/

Lesen Sie die Geschichte der ersten tschechischen Internet-Handarbeitswerkstatt. Zunächst klingt der Name "Taschnerei Tlustý" nach einer kleinen Werkstatt, von denen es in Tschechien viele gibt. Aber eine solche Taschnerei wäre nicht so sehr mit Facebook und dem Internet verbunden und hätte keine so ungewöhnliche Geschichte und einen solchen Plan. Der Plan, wie man mithilfe eines Fünfzigjährigen, dem Handwerk und dem Internet, aus der Asche auferstehen kann und auch noch einen ganzen Berufszweig wiederbelebt.

Vrsovice ist kein nobles Viertel in Prag. Die Straße "Na Louzi" ist nicht die Pariser Straße in der Josefstadt. Doch hier sollte man herschauen. Genau hier, hinter dem Fiathändler und ein Stück von den Bahngleisen entfernt, ist der Sitz einer Firma, die auf Facebook fast 20 000 Fans hat. Von außen das schöne und einfach Loge von Tlustý & Co., innen, wenn Sie ein paar Stufen hinaufsteigen, eine Manufaktur wie von vor hundert Jahren. Eine Halle von ca. 30 x 20 Metern, Maschinen, die sich noch an zwei Kriege erinnern können.

Überall duftet das Leder und weil wir gerade vor Weihnachten hier waren, stapelten sich überall Päckchen zum abschicken. Diese Manufaktur in Parg, in der ungefähr 20 Leute arbeiten, hat es dank ihrer aktiven Präsentation im Internet geschafft, 1293 Weihnachtsbestellungen abzuschicken. "Wenn man für tausenddreihundert Leute das Christkind sein soll, muss man sich ins Zeug legen. Wir sind gerade jeden Tag von 7 Uhr morgens bis Mitternacht", versichert mir Ivan Petruv, der Chef und Haupteigentümer dieser Firma und ihrer Idee. Ich habe Roman Tlustý erwartet, dessen Namen die Firma trägt, aber der war gerade irgendwo Leder einkaufen. Tlustý arbeitet schon lange mit Leder, er hatte lange Jahre seine kleine Werkstatt, in der er Spezialanfertigungen für den Film machte, aber auch Lederjacken reparierte und nähte. "Wenn man nicht wusste, wohin mit seinem Lederprodukt, dann erstmal zu Roman", sagt Petruv. Die Krise 2008 hat aber auch Tlustý getroffen, sowie auch in den Jahren danach.

Roman Tlustý hat dann vor zwei Jahren Ivan Petruv angerufen. Sie kannten sich schon lange, aber jetzt sollte sein Freund am Telefon eine fatale Situation lösen. "Roman rief mich an und sagte, dass der Gerichtsvollzieher da sei und ihm die Maschinen wegnehmen wolle. Und ich wusste, wie ernst diese Situation war. Er würde entweder sich aufhängen, oder den Gerichtsvollzieher umbringen", erinnert sich Petruv. Er Half Tlusty, seine Schulden zu zahlen.

"Ich selbst überlegte auch gerade, was ich mit meinen vierzig jahren noch machen sollte", sagt er. Er öffnete ein kleine spezialisierte IT-Firma, die Software für Marketingagenturen auf der ganzen Welt verkauft, aber die Leitung wollte er sich nicht teilen. Als studierter Anwalt wollte er aber auch keine Scheidungen begleiten.

"Und so habe ich zu Roman gesagt: du hast Erfahrung, kennst dein Handwerk, lass uns doch eine kleine Firma daraus machen", erzählt der fast zwei Meter große Petruv, der ständig wegrennt, um Gürtel zu überprüfen, ob sie auch bereits zum Versand sind. Hier muss jeder mit anpacken, ob Chef oder nicht.

Und wie macht man aus einer Werkstatt im Keller eine funktionierende Firma? "Zuerst wollten wir einfach unsere Existenz sichern. Dann habe ich mich aber in dem Geschäftszweig umgeschaut und gesehen, dass er am aussterben ist. Das war ein traditionelles Handwerk, das seit 1700 schon hier bestand", erklärt Petruv, was ihn dazu bewegt, einen Onlineshop zu eröffnen. "Ich habe darin eine Chance gesehen - es gab niemanden, wir hatten ein gutes Timing. Und die Leute kehren wieder zu besonderen Werten zurück, sie fangen an, sich dafür zu interessieren, bei wem sie kaufen, sie gehen lieber zu einem traditionellen Laden als in den Supermarkt. Ich sagte Roman, lass' uns eine Platform eröffnen, mit Leuten wie dir, sie beherrschen ihr Handwerk, können aber schwer auf sich aufmerksam machen. Es war die Idee, ein Kollektiv von tschechischen Firmen zu eröffnen, Menschen zusammenzubringen, die überall in der ganzen Republik sitzen und mit ihnen etwas außergewöhnliches zu machen", fährt er fort.

Zunächst einmal das Logo.

Hier ist der Zusatz "& Co." wichtig, denn er repräsentiert 20 kleine Werkstätten und Firmen, die mit der Taschnerei zusammenarbeiten und von ihr eine Menge Arbeit kriegen. Metallgießer, Drucker, Hersteller von Beuteln, Schachteln... In Trebice haben sie eine Werkstatt für die Herstellung von Geldbeuteln, die von ihnen 80% der Arbeit kriegen. "Die Republik ist voll von Leuten, die ihr Handwerk sehr gut beherrschen, es schon seit 30 Jahren ausüben und jetzt, wenn sie 50 sind, Treppen putzen müssen, um sich ihr Brot zu verdienen. Denen sagten wir also, was wir vorhätten und das wir das für gutes Geld machen wollten und seitdem sind sie mit dabei. Zunächst haben sie uns nicht geglaubt, sich dann aber schließlich überzeugt", sagt Petruv, der auch gerne die Fähigkeiten der tschechischen Lederer und Taschner hätte. Tlustý und Co. organisiert alles, leitet Bestellungen weiter an die unterschiedlichsten Orte in Tschechien, von Ostrau bis zum Böhmischen Wald.

Damit hängt auch der Vertrieb davon zusammen, was Petruv Online-Taschnerei nennt. Sie haben die Geschäfte vollkommen ausgeschlossen und liefern an niemanden. "Auf diesem Weg verliert man 80%, die sich das Geschäft einsteckt und Ihnen bleiben 20% und die Fabrik geht ein. Wir machen das anders. Das Geld, das wir so sparen, steckt in den Produkten. Bei uns kann der Kunde vorbeikommen und den Leuten die Hand schütteln, die sein Produkt hergestellt haben. Das ist ein Erlebnis. Ich kenne kein solches Konzept hier in Tschechien, aber ich weiß, dass die Leute Handwerkern gerne zuschauen und wissen wollen, wie Dinge hergestellt werden." Und es funktioniert. Im ersten Jahr setzte die Firma 3 Millionen um, letztes jahr schon 10 und für nächstes jahr plant Petruv 20.

Aber zurück zur Werkstatt. Weil dieser Berufszweig, wie Petruv sagt, in Tschechien fast ausgestorben ist, finden Sie hier keine ausgebildeten jungen Leute. Und falls doch, haben sie ein ganz besondere Geschichte. In der Werkstatt in Vrsovice arbeiten Auszubildende künstlerischer Schulen. Hier kann man die Szenografin des Theaters in Pilsen treffen. Aber außerhalb von Prag sind in den Werkstätten größtenteils Menschen mit langjähriger Erfahrung.

Und eine ähnlich lange Erfahrung mit der Herstellung haben auch die Maschinen. "Wir haben die meisten für Eisen aus einer Firma gekauft, die geschlossen hat. 250 Kilo Eisen für sie, Maschinen für uns, die immer noch gut funktionieren, von einer alten Minerva aus 1947 bis hin zu Maschinen aus den siebzigern", sagt Petruv, der die Firma so in Fahrt brachte.

Tlustý & Co. möchte wieder zum Taschnerhandwerk zurückkehren, den Leuten etwas Authentisches geben, aber auch etwas, dass hier hergestellt wird, von dem man weiß, wo es herkommt und wer hinter dem Produkt steht. "Hierher kommen Männer aus den verschiedenen Banken und Sparkassen und Manager und sagen uns: wir beneiden euch! Wir haben die Hypotheken, Kooperationen und Luxusgehälter, aber ihr macht etwas mit euren Händen, euch geht es gut", erzählt Petruv lachend, der selbst einmal Leiter einer IT-Firma war.

"Das freut uns. Wir sind ein Betrieb für die Kunden. Wir lehnen es ab, für jemanden gegen einen schlechten Lohn zu nähen. Das ist unser Weg und ich denke, dass es der richtige ist", ergänzt Petruv, ein Mann, der nicht nur eine Firma, sondern einen ganzen Berufszweig zu neuem Leben brachte.